Warum unsere Persönlichkeit eine Schlampe ist

von Julio

(Kurzversion, 24. Mai 2021)

In der Werkstatt Dritter Ort kann man öfters den Satz hören, dass „Authentisch Sein“ als Haltung überschätzt wird. Vor zwei Jahrhunderten begann die Idee sich zu verbreiten, dass jeder Mensch sich durch ein ihm ganz eigenes, besonderes Wesen auszeichne, dem er treu bleiben müsse. Wenn ein Mensch sein Leben so ausrichte, dass es nur konform mit den Ansichten der anderen geht, wenn er aufhöre, auf das zu achten, was ihm seine „Essenz“ vorgibt, dann verfehle er sich selbst.

So verstanden, bedeutet Authentizität, so zu handeln und zu reden, wie man wirklich ist. Heutzutage ist dieses Ideal mit dem Streben nach „Selbstverwirklichung“ verbunden. „I did it my way“, singt Frank Sinatra. Das was man ist, hat seit einigen Jahren in Politik und Kultur neues Interesse geweckt: So gibt es Streit darüber, ob die Identität einer Person wichtig ist, für das, was sie sagt – z.B. wenn sie als „transsexuell“, „muslimisch“ oder „biodeutsch“ bezeichnet wird. Es gibt auch Konflikte dazu, wer Rasta-Locken tragen darf bzw. wer die offizielle Übersetzung eines Gedichts liefern sollte. Ich will hier auf diese Fragen keine direkte Antwort geben. Aber ich möchte ein Menschenbild vorstellen, bei dem „Authentisch Sein“ nicht so wichtig ist und Identität nicht das ist, was es scheint.

„Wesen“, „Essenz“, „Identität“ – oder geht es auch etwas nüchterner?

Es wird viel über das „Wesen“ des Menschen geredet, über seine „Persönlichkeit“, seine „Identität“ oder seine „Essenz“. Doch woher kommt das, was einen Menschen ausmacht? Eine Antwort sagt, dass uns unsere Persönlichkeit einfach mitgegeben sei: von unseren Genen, der Lebensumgebung, den vorherigen Reinkarnationen, der Familie, der Kultur, der Erziehung, den Lebenszufällen. Wenn wir unsere Eigenheiten sorgfältig beobachten und reflektieren würden, dann könnten wir das, was uns ausmacht, entdecken und anschließend ausleben. Eine andere Antwort lautet, dass das, was wir als unsere eigene Natur ausmachen, immer schon eine Interpretation von uns selbst sei, und dass unser Wesen ein Produkt unserer Entscheidungen sei. Nach dieser Ansicht ist unsere Identität ein Kunstwerk, das wir gestalten können, wie wir wollen. Je nachdem, wen man fragt, braucht es dafür Disziplin, das richtige soziale Umfeld oder auch nur positive Gedanken.

Wir möchten hier eine dritte Antwort vorschlagen. Es gibt gar keine innere Essenz, die von außen verfälscht werden kann. Die ganze Redeweise von „Wesen“, „Identität“ etc. lässt sich nüchterner formulieren: Menschen weisen einfach ein Bündel von Eigenschaften auf. Und diese Eigenschaften entstehen durch das gemeinsame Handeln mit anderen Menschen, durch die Interaktion mit ihnen. In einem ersten Schritt kann dieses Entstehen persönlicher Eigenschaften als eine schlichte Folge der wechselseitigen Beeinflussung verstanden werden, doch das ist nicht das, worauf wir hinauswollen. Wir meinen viel mehr: Unsere persönlichen Eigenschaften werden im gemeinsamen Handeln mit Anderen erst erzeugt – besser gesagt: sie entstehen in jedem Moment des gemeinsamen Handelns aufs Neue.

Die Erschaffung von Stereoanlagen und Burn-Out-Syndromen

Der Philosoph Nelson Goodman hat unter der Überschrift „Wie man Dinge mit Wörtern erzeugt“ den grundsätzlichen Prozess beschrieben, der hier eine wichtige Rolle spielt. Goodman nimmt als Beispiel, wie er eine Stereoanlage entdeckt:

„Ich sitze in einem vollgestopften Wartezimmer und weiß nichts von einem Stereosystem. Nach und nach mache ich zwei in das Bücherregal eingebaute Lautsprecher, in einem Eckschrank einen Receiver und einen Plattenspieler, auf dem Kaminsims eine Fernbedingung ausfindig. Ich finde ein System, das bereits da war. Aber sehen wir, was dieses Finden beinhaltet: Die verschiedenen Einzelteile von der Umgebung unterscheiden, sie nach ihrer Funktion kategorisieren und zu einem einzigen Ganzen vereinigen. (…) Ein anderer Besucher, der gerade unerfahren aus dem tiefsten Dschungel kommt, wird kein Stereosystem in diesem Raum finden (…). Er wird dort auch keine Bücher finden. Aber in den Büchern und Pflanzen, die ich finde, wird er Brennstoff und Nahrung finden, die ich nicht finde. Nicht nur weiß er nicht, daß die Stereoanlage eine ist, er erkennt überhaupt nicht als Ding an, was ich als Stereosystem erkenne.

Man braucht ein recht komplexes Rüstzeug an Begriffen und Unterscheidungen, um eine Stereoanlage, und nicht nur braune Holzboxen und silberfarbene Kästen zu finden. Genau genommen geht es hier aber nicht um die Wörter, sondern darum, was wir mit Wörtern tun. Mittels Wörtern unterscheiden wir, ordnen wir und fügen wir zusammen. Im Folgenden sollen diese Tätigkeiten mit der Formulierung „die Welt gliedern“ zusammengefasst werden. Unterschiedliche Arten die Welt zu gliedern, bezeichnet Goodman als „Weltversionen“. Sein Beispiel mit dem Stereosystem zeigt, wie mit solchen Weltversionen ein Ding erst zu einem Ding wird. Wie willkürlich dieser Prozess des Welt Gliedern ist, soll hier nicht diskutiert werden. Je nach Vorwissen, Lebensbedingungen und Zweck legen die Dinge uns auf jeden Fall Einteilungen und Unterschiede nahe. Es mag unendlich viele verschiedene Weltversionen geben, aber nicht alle sind stimmig, funktionieren oder wirken überzeugend.

Ob wir „türkisch“, „polyamor“, „vornehm“ und andere menschliche Eigenschaften entdecken, hängt ebenfalls von der Weise ab, wie wir die Welt gliedern. Doch menschliche Angelegenheiten sind komplexer als Stereoanlagen. Eine Weltversion, in der wir Stereoanlagen finden, mag voraussetzungsreich sein. Noch voraussetzungsreicher ist eine Weltversion, in der es Zivilcourage, Burn-Out-Syndrom oder Stalking gibt. Die Weltgliederung ist hier noch komplexer.

Sprache ist eine kollektive Tätigkeit. Wir können zwar individuell eigene Wörter erfinden, aber der Sinn von Begriffen ist, dass sie gemeinschaftlich verwendet und eingeübt werden. Das gleiche gilt für das Gliedern der Welt. Wenn wir die Welt unter Verwendungen von Wörtern so ordnen, dass wir in ihr eine Stereoanlage oder ein Burn-Out-Syndrom wahrnehmen können, dann machen wir das als Sprachgemeinschaft. Wir machen es gemeinsam, ständig aufs Neue. Das bedeutet, dass nicht nur unsere Eigenschaften (z.B. „kreativ“ oder „leidenschaftlich“), sondern auch unsere Wünsche und Sehnsüchte von gemeinschaftlichen Weltversionen abhängen: Es muss Stereoanlagen geben, um sie sich wünschen zu können.

Wir entstehen jeden Moment neu – aus gemeinsamen Handlungen mit anderen

Menschen können mit Handlungen nicht nur Dinge zu Dingen machen, sie können in Bezug auf diese Dinge auch weitere Handlungen vollziehen. Um diese Handlungen zu verstehen, müssen wir nachvollziehen können, welche Weltgliederungen mit ihnen einhergehen. Handlungen können zudem selbst geordnet werden: Wir unterscheiden z.B. Malen von Kritzeln. Außerdem können Handlungen selbst zum Gegenstand von Handlungen werden. Das Beibringen von Klavierspielen wäre dafür ein Beispiel. Handlungen können zudem im Prozess des Handelns Weltgliederungen erzeugen. man denke an das Verheiraten eines Mannes mit einer Frau:

Auch hier ist eine Person vorstellbar, die das „Verheiraten“ als kulturelle Praxis nicht kennt und die deshalb den Satz „Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau“ nicht richtig versteht. Sie mag zwar zwei blumengeschmückte Menschen vor einem Gebäude sehen, aber sie nimmt kein frisch gebackenes Ehepaar vor einem Standesamt wahr. Vor allem die daraus folgenden Handlungen blieben ihr weitgehend verschlossen – die ganze soziale Welt von Trauschein, Erbrecht, Ehegattensplitting, Rosenkrieg, Eheberatung.

Vielleicht kennt dieser Mensch sogar Praktiken, die dem europäischen Heiraten ähnlich sind, aber in seiner Welt teilt man dafür Menschen auf andere oder komplexere Art ein, als es z.B. „Mann“ und „Frau“ tun. Auch „verheiratet sein“ erschaffen wir gemeinsam mit anderen. Das liegt nicht nur daran, dass man für eine Ehe eine Gruppe braucht, die die Ehe anerkennt. Es liegt auch daran, dass mit der sozialen Erfindung von „Heirat“ eine zusätzliche Gliederung der Welt erst erzeugt wird. Unsere Kultur ist voll mit solchen komplexen sozialen Erfindungen, die unsere Wünsche und Selbstbeschreibungen prägen.

Eine Art zu erläutern, welche Gliederung der Welt einer Handlung zugrunde liegt, sind Geschichten. Denn Handlungen können wir nur im Rahmen von Geschichten erkennen: Wenn eine Frau einer anderen Frau auf der Straße eine 50 Euro-Geldnote in die Hand drückt, dann kann dies ein Akt der Barmherzigkeit sein. Es kann ebenso eine Demütigung sein, etwa wenn es nach einem romantischen One-Night-Stand erfolgt. Oder es mag sich um eine politische Demonstration handeln, etwa dann, wenn die Empfängerin eine Ministerin ist, die der Korruption beschuldigt wird. Ohne Geschichte wissen wir nicht, welche Handlung stattfindet.

Für unsere eigenen Handlungen ist also entscheidend, in welche Geschichten sie eingebettet sind. Insofern andere Menschen involviert sind, sind die Autoren und Erzählerinnen dieser Geschichten sowohl wir selbst als auch die anderen Beteiligten. Da diese Handlungen wichtige persönliche Eigenschaften von uns erzeugen (z.B. „verheiratet“, „muslimisch“, „polyamor“) besteht unsere Persönlichkeit in einem gewissen Sinn aus Geschichten, an denen sowohl wir als auch andere fortlaufend stricken. Sehr viele dieser Geschichten, die unser eigenes Handeln verständlich machen, sind lange vor uns begonnen worden, wir werden in sie hineingeboren und wachsen in ihnen auf.

Aus all diesen Gründen ist es naiv zu glauben, dass es ein wahres inneres Wesen gibt, das wie ein unschuldiges Dornröschen lediglich wachgeküsst und aus dem stacheligen Gefängnis der Umwelt befreit werden muss. Es gibt keine Essenz, die durch die Fremdeinflüsse von Außen eingesperrt wird. Bis in unsere intimsten und persönlichsten Eigenheiten, Bedürfnisse und Wünsche hinein wird unsere Persönlichkeit zu jedem Zeitpunkt neu in einem gemeinsamen Handeln mit anderen erschaffen. Unser Selbst war und ist also eher eine Schlampe, die Fülle und Wissen daraus sammelt, dass sie es lustvoll mit jedem und jeder treibt. Wir sind mit anderen fortlaufend verwoben.

Ebenfalls sollten wir skeptisch sein, wenn man uns auf eine einzige fundamentale Identität festlegen will. Manchmal wird von „kulturellen Wurzeln“ geredet, auf die wir uns besinnen sollten, damit wir uns nicht verloren fühlen. Gerne werden dann einzelne Phänomene unserer kulturellen Überlieferung besonders herausgehoben (und andere unterschlagen): Z.B. das Christentum oder der Islam. Oder die Aufklärung. Die deutsche Sprache. Das römische Recht. Die Demokratie Athens. usw. Aber Gesellschaften und Kulturen sind keine abgeschlossenen Silos, die nebeneinanderstehen. Sie sind durch Handel, Reisen, Eheschließungen und Eroberungen vielfältig miteinander vernetzt.

Kulturen sind immer Mischlinge – so wie wir Menschen

Seit Jahrtausenden wandern soziale und technische Innovationen, Geschichten, Götter, Lehren, Fertigkeiten, Tugenden, Künste, Moden und Gebräuche um die Welt. Sie werden von Völkern, Gruppen und Einzelpersonen fortlaufend übernommen und für ihre Lebensumgebung angepasst – um Bedürfnisse besser zu befriedigen oder mit veränderten Lebensbedingungen besser klar zu kommen. Wir können ein ganzes Bündel solcher Dinge, sofern es von einer bestimmten Menschengruppe über geraume Zeit kultiviert wird, Tradition nennen. Es gibt keine reine Kultur mit nur einer Tradition. Kulturen sind immer vermischt. Wer Gruppen vor kulturellen Übernahmen bewahren will, will sie immer vereinheitlichen.

Traditionen sind keine kulturellen Glaubensbekenntnisse. Sie sollten – wie unser Freund, der deutsch-indische Kulturphilosoph Narahari Rao nicht müde wird zu betonen – als Hort von erlernbarem Wissen verstanden werden: Als Know-How. Traditionen respektiert man nicht als Ausdruck einer Identität, denn warum sollte man das tun? Man respektiert sie, weil sie Wissen bewahren, das zum kulturellen Erbe der Menschheit gehört. Kulturelle Übernahmen sind eine Form von Lernen. Etwas von anderen zu erlernen ist nicht respektlos. Etwas falsch oder oberflächlich aus anderen Traditionen zu lernen, ist aber unklug, weil man wichtiges Know-How verpasst. (Sowas passiert sehr oft bei Kulturbegegnungen.) Das kann dann Ausdruck von Respektlosigkeit sein, etwa wenn komplexes Know-How beim Gegenüber erst gar nicht vermutet wird. Das Recht auf Respektlosigkeit ist zwar wichtig. Das Recht Respektlosigkeiten zu kritisieren aber auch.

Respektlos handelt sicher, wer diejenigen nicht öffentlich ehrt, von denen man etwas gelernt hat. Ungerecht handelt, wer diejenigen, die ein Wissen für die Menschheit entwickelt und bewahrt haben, am eigenen kommerziellen Erfolg nicht hinreichend beteiligt. Unverantwortlich handelt, wer durch Originalbezeichnungen suggeriert, dass man überlieferte Standards der Exzellenz einhält, obwohl man sie nicht wirklich kennt. Dann ist man ein Quacksalber. Davon gibt es viele, die meisten unwissentlich.

Skeptisch sollten wir auch sein, wenn behauptet wird, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse (die Machtunterschiede, die Vorurteile, die wirtschaftliche Verteilung, das Rechtssystem) die Menschen auf eine Identität festlegen. So wie Gesellschaften viele kulturelle Einflüsse aufweisen, setzen sie sich auch aus unterschiedlichen Milieus, Schichten, Klassen, Regionen, Ethnien, Industrien, Berufsgruppen, Machtzentren und Traditionen zusammen. Schematische Unterteilungen wie Frau-Mann, normal-queer, Türkin-Deutsche usw. haben ohne Zweifel ihre Macht. Aber sie werden an unterschiedlichen Stellen der Gesellschaft unterschiedlich interpretiert. Weil wir unsere Persönlichkeit gemeinsam mit anderen erzeugen, sind wir nicht alle gleich innerhalb eines Schemas. Unsere Gegenüber – auch unsere (politischen) Gegner – sind es ebenfalls nicht.

Die Betonung eines Persönlichkeitsmerkmals kann helfen, mit anderen Menschen Bündnisse einzugehen, neue Freundschaften zu finden oder gemeinsame Interessen zu kultivieren. Doch wie der Philosoph Michel Foucault einmal meinte: „Es ist sehr langweilig, immer derselbe zu sein“. Er warnte davor, ständig zu fragen, ob eine Handlung oder Ansicht der eigenen Identität entspricht. Dann schaffe man sich ein neues Gefängnis. Foucault sah diese Gefahr z.B. bei sexuellen Minderheiten. Er rief sie stattdessen auf, die eigene schöpferische Kraft zu bejahen und „unter dem Deckmantel ihrer sexuellen Wahlen ein neues kulturelles Leben zu erschaffen.“ Als Schwuler bezweifelte er aber, dass man z.B. eine eigene schwule Kultur erschaffen sollte. Wichtig war ihm das Erschaffen, nicht das „eigene“.

Kunst ist unauthentisch

Weil unsere Persönlichkeit mit den Handlungen anderer Menschen eng verwoben ist, kann man erstere auch nicht wie Lehm beliebig formen. Selbst dann nicht, wenn man zugleich eine umfassende neue Kultur schaffen möchte. Denn wie wir die Welt gliedern und wie wir einflussreiche soziale Institutionen wie z.B. „Heirat“ fortlaufend am Leben erhalten, beruht auf fundamentalen Gewohnheiten. Sie durchziehen seit Jahrhunderten die Gesellschaft. Man kann sie nicht wechseln wie ein Hemd.

Wer neue Gewohnheiten etablieren will, braucht die freiwillige Mitwirkung vieler anderer. Arroganz, Besserwisserei und Einschüchterung helfen dabei nicht. Nötig ist ein Dialog, in dem z.B. eine neue Art die Welt zu gliedern von dem Gegenüber nachvollzogen und als sinnvoll empfunden werden muss. Das Leben muss sich damit besser führen lassen. Die neue Art zu handeln muss sich zudem in die anderen, bewährten Gewohnheiten einpassen. Unter anderem kann dabei Kunst helfen, denn sie ermöglicht das ungezwungene Spiel. Filme, Romane, Gemälde, Musik, Theater, Mode und Architektur lassen uns die Welt auf ungewohnte Art wahrnehmen und ordnen. Sie können Wege in fremde Lebensentwürfe bahnen. Sie können ungewohnte Geschichten erzeugen und neue Handlungsweisen demonstrieren. Sie können alle möglichen Identitäten und persönlichen Eigenschaften miteinander kombinieren. All das ist möglich, weil in der Kunst Authentizität weder notwendig noch hilfreich ist. Es geht nicht darum, „echt“ zu sein.

Die Sichtweise, dass Menschen ihre Persönlichkeit fortlaufend im Moment des Handelns mit anderen Menschen hervorbringen, muss und soll nicht alle Aspekte von Identität erklären. Sie will zudem Authentizität nicht überflüssig machen. Wenn man die pompöse Redeweise vom „Wesen“, „Essenz“ etc. sein lässt und Authentizität nüchtern als eine Haltung versteht, so zu leben und zu handeln, wie es den eigenen Wünschen und Idealen entspricht, dann ist das sinnvoll. Das bedeutet aber nicht, dass man immer so leben und handeln muss, dass man mit seiner Herkunft, seinen Gefühlen und Vorlieben übereinstimmt. Gerade die Kunst kann uns den Wert des Unauthentischen lehren. Frank Sinatra konnte den Song „My Way“ nicht leiden, weil er ihn als selbstgefällig und selbstgerecht empfand. Aber seinem Publikum war das Lied wichtig, weshalb Sinatra es ihm zuliebe immer wieder mit voller Inbrunst sang.

Ganz unauthentisch.