Was ist der Dritte Ort?

Der Dritte Ort ist unser Ort für ein Leben in Freundschaft, Freiheit und Schönheit. Er wird geschaffen von einem Freundeskreis von Männern und Frauen, die sich seit einigen Jahren kennen und diesem Ort Gestalt geben. Diese Gruppe, die sich 2005 als Handlungsgesellschaft Der Dritte Ort gründete, versteht sich als Kondensationskern in einem weitläufigen Netz von Menschen, die aufgrund ihrer verwandten Interessen, ihrer Visionen und einem bestimmten, nicht ganz konventionellen Lebensstil locker miteinander verbundenen sind. Jahr für Jahr wird dieses Netz etwas größer.

Eine unsere wichtigsten Handlungsweisen sind Soziale Plastiken, wie sie auch von Performance-Künstlerinnen eingesetzt werden. (Was das ist, kann man hier hier lesen.) Nicht jede und jeder unserer Handlungsgesellschaft ist eine Künstlerin, aber wir alle lieben Farbigkeit und Phantasie, sinnlicher Ausdruck durch Kunst, Musik, Poesie, Film, Ritual und Aktionen. Und immer wieder haben wir Lust auf Dinge, die uns und anderen die Röte ins Gesicht treiben und das Herz schneller schlagen lassen. Bis 2014 haben wir als Gast auf unterschiedlichen Treffen und Festivals anderer Veranstalter solche Sozialen Plastiken durchgeführt, mit 20 bis 100 Teilnehmenden. Seit März 2015 haben wir zudem in Köln einen eigenen Treffpunkt: die Werkstatt Dritter Ort. Dort finden regelmäßig Treffen und Aktionen von uns, bisweilen auch Vorträge, Diskussionsrunden, Workshops und anderes statt.

Variationen des Logos vom Dritten Ort

Wir sehen uns nicht als eine Kommune oder Gemeinschaft. Die Idee einer Familie, eines Clans oder eines Stamms ist uns zu eng. Wir sind eine Gruppe von Handelnden, die immer wieder einen neuen Anfang in die Welt setzen und durch Taten eine Geburt von Ereignissen initiieren. Deshalb bezeichnen wir uns als „Handlungsgesellschaft“. Die gemeinsame Unternehmung, die wir 2005 begonnen haben: Ein zwischenmenschliches Netz für ein gutes Leben aufzubauen, in dem Menschen in unterschiedlichsten Lebensbereichen erfahren, dass sie in Resonanz miteinander als auch mit der Welt stehen. Resonanz bedeutet: Menschen erfahren andere Menschen (und Tiere, Pflanzen, Sterne, Moleküle; die Welt insgesamt) als antwortend und zugewandt, nicht als schweigend oder feindlich. Resonanz betrifft Körper genauso wie Geist, Sex genauso wie Wirtschaft, Alltag genauso wie Politik.

Gemäldeprojektion Christine HofmannEin solches Erleben ist sicherlich von der je eigenen Sensibilität und Offenheit beeinflusst. Sie ist aber nicht nur ein Gefühl und nicht nur eine Frage der „positiven“ Einstellung. Es hängt vor allem davon ab, wie Menschen ihre realen Lebensverhältnisse gestalten, sowohl in der persönlichen Gestaltung ihres eigenen Lebens, aber auch als mitbestimmender Teil von politisch, sozial, wirtschaftlich und kulturell wirksamen Kollektiven. Uns geht es um ein schöpferisches Leben, in dem unsere Bedürfnisse nach Solidarität, Geborgenheit und Wohlwollen, nach sinnvoller und erfüllender Tätigkeit, nach Freiheit und Kreativität und nach geistiger, sinnlicher, erotischer und körperlicher Entfaltung erfüllt werden. Für uns gehört dazu ein soziales Feld, in dem menschliche Qualitäten und Tugenden (wie etwa Daseinsfreude, Mut, Klugheit, Umsicht, Großzügigkeit, Freundlichkeit, Urteilskraft, Selbstbestimmtheit, Selbstdisziplin und viele mehr) gepflegt werden. Für uns gehören dazu aber ebenso materielle Voraussetzungen, Formen der Arbeit und der kollektiven Organisation, Institutionen. Als ein Kulturprojekt, das zwischenmenschliche Netze webt und soziale Strukturen eines guten Lebens aufbaut, erforschen wir zudem neue Formen des Wohnens, der wirtschaftlichen Organisation, der Familie und der Liebe.

Unsere Vision eines Miteinanders ist nicht die enge, selbstgenügsame Öko-Kommune. Wir schätzen modernes Leben, Hochkultur und vieles, was nur Städte und moderne Zivilisationen hervorbringen können. Zugleich wissen wir, dass durch Beschleunigung des Lebens, durch Wirtschaftsstress und durch permanente (Umzugs-)Mobilität das Leben immer anonymer wird und Familienbande zerfallen. Weltweit frisst sich zudem eine räuberische Wirtschaftsweise durch die ökologischen Lebenssysteme unseres Planeten und sorgt durch Klimaaufheizung, Artensterben, Bodenzerstörung, Ausbeutung und Vermüllung der Meere dass die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde immer weiter überschritten werden. Wir Menschen brauchen menschliche Netzwerke von Nähe und Zuwendung, wenn wir nicht als eine Gesellschaft voller Gleichgültigkeit, Einsamkeit und Resignation enden wollen. Wir brauchen sie auch, um Lebensweisen zu entwickeln, durch die wir und andere Bewohnerinnen der Erde gut und glücklich leben und die kommenden Herausforderungen meistern können. Deshalb ertasten wir uns im Bereich des Wohnens ein ortsübergreifendes „Zusammenlebmodell“, in dem Nähe, Unterstützung und Verantwortung füreinander mit individuelle Wohnformen kombiniert sind. (Mehr dazu hier).

In Dingen der Liebe haben wir eine Freude daran, geschützte Räume zu erschaffen, in denen sich Lust, Liebe und Sinnlichkeit entfalten können, z.B. in Form von kreativen Experimenten. Manche von uns teilen mit einem Menschen Tisch, Bett und Herz, andere mit mehreren. Wir glauben, dass in der Liebe und Erotik – sollen sie glücken – erlernte Fertigkeiten und eine ganze Reihe von Tugenden notwendig sind, ganz so wie in anderen Lebensbereichen auch. Zudem müssen wir uns eigene, zeitgemäße Formen des Zusammenlebens erschaffen. Die Pflege und Verbreitung von Know-how zu Liebe und Sex ist uns wichtig. All das gehört für uns zum Aufbau einer erotischen Kultur, die genauso wichtig ist wie Musik, Geschichte oder Naturwissenschaft. (Mehr dazu hier und hier).

Foto mit Bild von farbverschmierten T-shirt

Die meisten Menschen aus unserem Freundeskreis verdienen ihr Geld in unkonventionellen und alternativen Arbeitszusammenhängen. Aber selbst dann gelten für uns alle die ganz „normalen“ Zwänge der modernen Marktwirtschaft und der Staatsbürokratie. Ökonomische Strukturen prägen das Handeln der Menschen, sie formen Charaktere und Einstellungen. Dass es in unserem alltäglichen wirtschaftlichen Verhalten als ganz „natürlich“ vorgesehen ist, dass jeder selbst auf seinen Gewinn achten muss und der eigene Vorteil relevanter ist als ein Nachteil für andere, halten wir für pervers. Wir setzen uns deshalb für neue Wirtschaftsformen ein und schaffen uns auch da eigene Strukturen. (Mehr dazu hier).

Hände halten Blüten vor BildWir wissen, daß jede Welt immer auch durch Magie und Poesie durchzogen ist und zusammengesetzt wird. In der ein oder anderen Weise haben alle Handlungsgesellschaftler einen Zugang zur Welt, der Magie und Poesie nicht ausschließt. Unter anderem deshalb erfreuen sich naturreligiöse, heidnische, animistische oder polytheistische Traditionen bei uns einer gewissen Beliebtheit. Wir glauben, dass man von dem Wissen und der Lebensweise solcher Traditionen einiges für ein zeitgemäßes Leben lernen kann. Entsprechend nutzen wir sie. Allerdings auf kreative und spielerische Art, denn wir sind weder sentimental noch romantisch. Einige von uns reden zwar mit Göttern, Trollen oder Bäumen, (der ein oder die andere mag mit ihnen bei Gelegenheit sogar ins Bett gehen), dennoch können wir mit der Esoterik- und Selbsterfahrungsszene eher wenig anfangen. Wir alle profitierten und profitieren zwar davon, dass durch die New Age – und Psychowelle hilfreiche Fertigkeiten und Rituale, ungewohnte Sichtweisen und häretische Wissenschaften in die Bücher, Seminarhäuser und Volkshochschulen gespült wurden. Aber wir stehen weder auf Perwoll-Betroffenheits-Sprache noch auf esoterische Blauäugigkeit.

Wir leben nicht auf einer Insel, sondern unser Alltag ist mit vielen anderen Menschen verbunden. Einiges von dem, was ein gutes Leben ausmacht, lässt sich nur mit großen, übergreifenden Strukturen regeln, die viele Menschen betreffen. Wie kann man glücklich sein, wenn man das Leid anderer mitbekommt, das diese durch Hunger, Ausbeutung, Gewalt und Benachteiligung erfahren? Deshalb engagieren wir uns immer wieder in allgemein politischen Angelegenheiten, etwa wenn es um gerechte Wirtschaftsverhältnisse, eine lebens- und naturfreundliche Technologie, um Kultur und Bildung oder um den Rechtsstaat geht. Wacher Geist, gedankliche Freiheit und intellektuelle Unbestechlichkeit sind für uns weitere wichtige Tugenden. Seinen Verstand kritisch zu gebrauchen, um mündig und selbstbestimmt sein Urteil zu fällen, ist eine unabdingbare Voraussetzung für ein gelungenes Miteinanderleben. Das gilt für den Alltag, für Fragen der Weltanschauung, der Politik, der Wissenschaft, der Wirtschaft und Kultur. Gurutum, Verklärungen, antidemokratische Verschwörungstheorien und Heilsversprechen können wir nicht leiden, ganz gleich aus welcher Ecke.

Weil wir eine Handlungsgesellschaft sind, kann man nicht in den Dritten Ort „eintreten“ oder eine „Mitgliedschaft“ beantragen. Freundschaften im Dritten Ort wachsen. Sie wachsen dadurch, dass die Handlungen von Menschen sich immer wieder überkreuzen und dadurch dem Dritten Ort Wirklichkeit geben. Und dadurch, dass ähnliche Handlungen sich vermehren und verbreiten, an unterschiedlichsten Stellen des Lebens. Die hier vorgestellten Gedanken sind als ein Banner für Menschen gedacht, die in verwandter Weise handeln. Sie sind weder ein Glaubensbekenntnis, noch ein Programm zum unterschreiben.